Forschungspreise

Wilhelm-Feuerlein-Forschungspreis 2016

Am 7. September 2016 überreichten die Oberberg Stiftung Matthias Gottschaldt und die Deutsche Suchtstiftung den Wilhelm-Feuerlein Forschungspreis an die Preisträgerin Frau PD Dr. rer. nat. Eva Hoch im Rahmen des 7. Deutschen Suchtkongresses in Berlin.

Candis Forschungspreis, Preisverleihung 2016 an Dr. Eva Hoch & Forschungsgruppe (TU Dresden)

Foto: Kerstin Klupsch © Oberberg Stiftung

Frau Privatdozentin Dr. rer. nat. Eva Hoch (Leiterin der Arbeitsgruppe Cannabinoide), Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum der Universität München, wurde für ihre wissenschaftliche Arbeit im Bereich der Anwendungs- und klinischen Forschung „Behandlung cannabisbezogener Störungen“ gewürdigt. Die Wissenschaftlerin leitet ein transnationales Forschungsprogramm, in dem das modulare Behandlungsprogramm „CANDIS“ für ältere Jugendliche und Erwachsene mit Cannabismissbrauch und -abhängigkeit entwickelt, evaluiert und in die Versorgung transferiert wurde.

http://www.oberberg-stiftung.de/abstract-dr-rer-nat-eva-hoch.html

Forschungspreis der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie

Am 12. März 2010 erhielt die CANDIS-Projektgruppe den Nachwuchspreis der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) für herausragende Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Weiterentwicklung der Verhaltenstherapie.

Laudatio anlässlich der Verleihung des DGVT-Förderpreises 2010 an die CANDIS-Arbeitsgruppe

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe CANDIS-Arbeitsgruppe,

eine Laudatio auf einen Preisträger oder eine Preisträgerin ist immer etwas Schönes. Wir ehren damit eine besondere Leistung, die über das Alltägliche herausragt und wegweisend für Zukunft ist. Für mich ist es heute eine besondere Freude, die Laudatio zur Verleihung des DGVT Förderpreises 2010 für herausragende Nachwuchsleistungen auf dem Gebiet der Entwicklung der Verhaltenstherapie an die CANDIS-Arbeitsgruppe zu halten. Zuerst möchte ich Ihnen die Preisträger der Arbeitsgruppe persönlich vorstellen. In alphabethischer Reihenfolge unter der Leitung von Frau Dr. Eva Hoch haben folgende Diplompsychologinnen und -psychologen in einer der zwei Projektphasen zwischen 2004 und 2010 mitgewirkt: Katrin Dittmer, Jana Henker, René Noack, Anja Pixa, Heike Rohrbacher und Anne Rühlmann. Sie werden verstehen, wenn ich aus Zeitgründen nur den akademischen Werdegang von Frau Hoch stellvertretend für die Arbeitsgruppe vorstelle.

Frau Hoch hat Psychologie von 1991 bis 1997 in Marburg studiert, war dann wissenschaftliche Mitarbeiterin, zunächst 1998 am Lehrstuhl für Psychologie der TU München (Thema Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz), danach bis 2001 am IFT Institut für Therapieforschung in München (Analyse der Problemlage und Trends bei illegalen Drogen für die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht).

Von 2002 bis 2005 war sie am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in Studien zur Raucherentwöhnung in Hausarztpraxen tätig und hat 2005 an der TU Dresden bei Prof. Wittchen mit Auszeichnung promoviert. Sie hat für ihre Promotion den Forschungspreis 2006 der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie bekommen. Seit 2005 ist sie Projektleiterin der CANDIS-Arbeitsgruppe an der TU Dresden. Frau Hoch hat seit 2000 etwa 15 Zeitschriftenpublikationen erstellt, mehrere Buchbeiträge verfasst und etwa 35 Vorträge gehalten. Was ist das Besondere an der Leistung dieser Gruppe? Sie hat ein Therapieprogramm entwickelt, dies an einer Patientenstichprobe erprobt und die Wirksamkeit in einer randomisierten klinischen Kontrollgruppenstudie evaluiert. So etwas wird sicher mehrere dutzend Mal pro Jahr in Deutschland durchgeführt, und ist nicht unbedingt eines Preises wert.

Die CANDIS-Arbeitsgruppe hat aber wirklich Besonderes geleistet und ich möchte dies in drei zentralen Merkmalen ihrer Tätigkeit erläutern:

1. Hoher therapeutischer Handlungsbedarf

Die Arbeitsgruppe hat ein ambulantes Therapieprogramm für Cannabis-Störungen entwickelt. Geht man in die Zeit um 2002-2004 zurück, als die Studie geplant und begonnen wurde, gab es einen stark zunehmenden Behandlungsbedarf. Die Zahl der Personen mit Cannabismissbrauch- oder ­abhängigkeit in der erwachsenen Bevölkerung nahm von etwa 430.000 in 1997 kontinuierlich auf etwa 620.000 in 2006 zu, das heißt, um fast 50 %. Die Zahl der Personen in ambulanter Behandlung ist von etwa 7.000 in 1999 kontinuierlich auf zuletzt etwa 26.500 in 2008 oder um fast 400 % gestiegen. Für diesen starken Anstieg des Behandlungsbedarfes gab es zum damaligen Zeitpunkt keine evaluierten Therapieprogramme, weder in Deutschland, noch in Europa, und nur wenige weltweit. Cannabis war jahrelang als minderschwere Droge eingestuft worden, die Frage der Entwicklung einer Abhängigkeit wurde kontrovers diskutiert, ein Behandlungsbedarf lange negiert. Es gab zwar für Kinder und jüngere Jugendliche ein Programm in den USA mit einer starken familientherapeutischen Komponente, aber keine Programme für ältere Jugendliche und jüngere Erwachsene mit einer bereits selbständigen Lebensführung. Das Programm hat hier eine wichtige Lücke geschlossen.

2. Innovativer Forschungsansatz

Die Therapiestudie wurde in vielerlei Hinsicht innovativ geplant und durchgeführt. Es ist hier nicht die Zeit auf alle Details einzugehen, stichwortartig möchte ich nur folgende Punkte nennen: Entgegen der üblichen Betreuungszeiten von Monaten oder Jahren in den Suchtberatungsstellen wurde dieses Programm für deutsche Verhältnisse absolut kurz mit zehn Kontakten in etwa zwei bis drei Monaten geplant. Die Durchführung war ambulant. Es wurde ein wichtiger Einstieg in die Individualisierung der Behandlung durch die störungsspezifische Zuordnung von Therapiekomponenten begonnen. Auch wenn diese Form der Individualisierung nicht so erfolgreich war, wie erwartet, haben sich doch wichtige Informationen für alternative Strategien zur individuellen Zuordnung von Interventions- und Störungsprofilen ergeben, die wir im Rahmen unserer Grundlagenforschung zur Verhaltenstherapie nutzen können. Das Programm wurde manualisiert und steht damit für die breite Verwendung in der Gesundheitsversorgung zur Verfügung. Die Studie hatte ein wissenschaftlich hochwertiges randomisiertes Kontrollgruppendesign, einschließlich einer systematischen Prüfung der Manualtreue.

3. Nachgewiesene Praxistauglichkeit

Wissenschaftler werden häufig kritisiert, dass sie unter den idealisierten Bedingungen des Elfenbeinturmes “Universität“ mit guter Sachausstattung, hoch motivierten Mitarbeitern und unrealistisch hoher Behandlungsintensität Ergebnisse erzielen, die nie und nimmer in die Praxis umgesetzt werden können. Dieses Projekt hat gezeigt, dass es auch anders geht. Dass das Therapiekonzept auch unter den Alltagsbedingungen der Praxis ambulanter Suchteinrichtungen realisiert werden kann, und zwar – dies ist besonders hervorzuheben – mit gleich guten Ergebnissen. Die Arbeitsgruppe hat nämlich nach der dreijährigen Erprobung 2004 bis 2007 ihres Therapieprogramms an der TU Dresden in einer zweiten Therapiephase das Programm in 11 ambulanten Suchteinrichtungen an 400 Patienten unter ganz normalen Praxisbedingungen in einer zweiten randomisierten klinischen Kontrollgruppenstudie erprobt. Die Mitarbeiter der Einrichtungen wurden geschult und supervidiert, aber die Rekrutierung, Diagnostik, Therapie und Dokumentation war ausschließlich in der Verantwortung der ambulanten Beratungs- und Behandlungseinrichtungen. Zusammenfassend war die Resonanz der Mitarbeiter hervorragend.

Hoher therapeutischer Handlungsbedarf, innovativer Forschungsansatz und nachgewiesene Praxistauglichkeit: drei herausragende Merkmale der Arbeitsgruppe unter der Leitung von Frau Dr. Hoch, die wahrhaft einen Preis wert sind.

 

Prof. Dr. Gerhard Bühringer