CANDIS – II

Implementierung der gezielten Therapie für Cannabisstörungen CANDIS in das ambulante deutsche Suchthilfesystem

Förderung: Bundesministerium für Gesundheit

Mitarbeiter:  PD Dr. Eva Hoch (Projektleitung), Dipl.-Psych. Anja Pixa, Dipl. Psych. Katrin Dittmer, Dipl. Psych. Anne Rühlmann, Dipl.-Stat. Dr. Michael Höfler, Prof. Dr. Gerhard Bühringer, Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen
Dauer:  2007 – 2010

Hintergrund

CANDIS ist ein modulares Entwöhnungsprogramm für Jugendliche (>= 16 Jahre) und Erwachsene mit problematischem Cannabiskonsum. Es wurde in den Jahren 2004 bis 2007 am Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Technischen Universität Dresden entwickelt und erfolgreich in einer randomisiert-kontrollierten Studie erprobt. Im Rahmen einer Transferstudie sollte überprüft werden, ob der Ansatz auch in der ambulanten Suchtkrankenhilfe anwendbar und effektiv ist.

1. Transfer der CANDIS-Therapie in die Routineversorgung

Vor Beginn der Studie konnten sich interessierte ambulante Suchthilfezentren aus ganz Deutschland für die Teilnahme bewerben. Aus 50 Bewerbungen wurden 11 Einrichtungen aus den Städten Bautzen, Berlin (2 x), Braunschweig, Dresden, Hamburg, Hannover, München, Münster und Osnabrück, Stuttgart nach definierten, inhaltlichen Kriterien ausgewählt (z.B. vorhandene Behandlungsdokumentation, Ausbildungsnachweis der geplanten Studientherapeuten in Verhaltenstherapie, Zahl der Cannabisfälle im letzten Jahr, regelmäßige Durchführung von Urinkontrollen, vorhandene Videoanlage und Einverständnis zu den Details der Studie). Zwei Therapeuten pro Studienzentrum wurden anschließend in der Durchführung der Therapie trainiert und führten im gesamten Rekrutierungszeitraum (Mai 2008 bis April 2009) manualisierte Behandlungen im Sinne des Programms an den in ihrer Einrichtung in die Studie eingeschlossenen Patienten durch. Sie waren ebenfalls verantwortlich für die umfassende wissenschaftliche Begleitdokumentation in ihrer Einrichtung und die Durchführung der Katamnesen.

2. Wirksamkeitsüberprüfung des CANDIS-Programms

Um seine Effektivität unter realen Praxisbedingungen zu erproben, wurde eine multizentrische randomisiert-kontrollierte Interventionsstudie durchgeführt. Jugendliche (>= 16 Jahre) und Erwachsene mit problematischem Cannabiskonsum wurden per Zufallsprinzip entweder der aktiven Studienbedingung (Standardisierte Einzeltherapie ST; Ziel n=150) oder der Wartekontrollgruppe (WKG; Ziel n=150) zugeordnet. Patienten der Wartekontrollgruppe konnten nach einer Wartezeit von 8 Wochen mit der Behandlung beginnen. Als primäre Ergebnisvariable wurde „Abstinenz“ festgelegt, als sekundäre „Konsumreduktion in den letzten 28 Tagen“. Die Ergebnisdokumentation erfolgte durch die Studientherapeuten im Erstgespräch vor Therapiebeginn, in den Sitzungen 1 bis 10, im Abschlussgespräch sowie in den Katamnesen drei und sechs Monate nach Behandlungsende. Um Inhalt und Qualität der Behandlung sicherzustellen, wurden alle Therapie-Sitzungen in den Suchthilfezentren per Videogerät aufgezeichnet. Die Überprüfung der Manualtreue erfolgte routinemäßig im Studienzentrum in Dresden. Allen Studientherapeuten wurde die Qualität der Umsetzung der Therapie rückgemeldet.

3. Evaluation von Chancen und Barrieren des Praxistransfers

Der Transfer der CANDIS-Therapie in die ambulante Suchthilfe sollte durch eine Prozessevaluation dokumentiert werden. Mittels Fragebogenerhebung wurden alle n=22 Studientherapeuten befragt (u.a. zu Therapieakzeptanz, positiven Veränderungen, Behandlungsbarrieren, wahrgenommenem Erkenntniszuwachs, Motivation, Imagewandel der Einrichtung). Die Erhebung wurde durch ein semi-standardisiertes Interview der Studientherapeuten sowie eine Befragung der Einrichtungsleiter ergänzt.

4. Entwicklung und Pilottestung einer gruppentherapeutischen CANDIS-Version

Damit auch große Suchthilfezentren mit zahlreichen Cannabisklienten ein ökonomisches Behandlungsangebot vorhalten können, wurde die CANDIS-Einzeltherapie zu einer gruppentherapeutischen Programmvariante (CANDIS_G) weiterentwickelt. Ziel dieses neuen Formats war es, insbesondere die therapeutischen Vorteile von Gruppenprozessen zu nutzen (Motivierung, Feedback, soziale Unterstützung, Lernen am Modell). Verändert wurde v.a. die didaktische Vorgehensweise des Therapeuten. Struktur, Inhalte und Arbeitsmaterialien der einzelnen Behandlungseinheiten blieben hingegen weitgehend unverändert. Machbarkeit und Effektivität von CANDIS_G sollte im Rahmen eines kleinen Pilotprojekts erprobt werden.

Die Mehrzahl der Studienteilnehmer waren Männer, das Durchschnittsalter betrug 26,3 Jahre. Die Teilnehmer konsumierten meist intensiv Cannabis (durchschnittlich 21 Konsumeinheiten pro Woche), 88% erfüllten die Lebenszeit-Diagnosekriterien (ICD-10) einer Cannabisabhängigkeit. Wie die Studienergebnisse zeigen, konnten die Teilnehmer gut von der Intervention profitieren. Jeder zweite Patient in der aktiven Therapiebedingung wurde abstinent. In der Wartekontrollgruppe war dies jeder vierte. Die durchgeführten Urin-Screenings belegten diese Ergebnisse. Patienten, die im Rahmen der Behandlung nicht abstinent wurden, konnten dennoch eine hochsignifikante Reduktion der Konsumtage in den letzten 4 Wochen erzielen. Therapieeffekte blieben auch im Katamnesezeitraum stabil.

Alle Patienten wurden nach Abschluss der Therapie gebeten, Schulnoten für die CANDIS-Therapie zu verteilen. Diese wurde durchschnittlich mit der Note 1,6 bewertet. Die Studientherapeuten bewerteten das Programm im Durchschnitt mit „gut“. Als wichtigste Faktoren, die den Programm-Transfer erschweren wurden in der Prozessevaluation von den Studientherapeuten genannt:

1.)  Manualisierte Therapie ist aufgrund von Mangel an zeitlichen Spielräumen und hoher Arbeitsbelastung bei komplexer Klientenproblematik (z.B. Unstrukturiertheit, Komorbidität, mangelnde Veränderungsmotivation) schwierig.

2.)  Vorurteile der Kollegen gegenüber manualisierter Therapie und

3.)  Mangelnde Kooperation mit anderen regionalen Diensten. Als zentrale Faktoren, die den Transfer fördern wurden genannt:
– Das manualisierte Vorgehen schafft eine klare Struktur, ein inhaltliches Konzept und Dokumentationshilfen in der Behandlung,
– Geklärte Kostenübernahme des Programms,
– Schulungen zur Vermittlung von Inhalten und Aufbau von Kompetenzen und regelmäßige Fallbesprechungen.

Das CANDIS-Programm wurde auch unter den Routinebedingungen der deutschen ambulanten Suchtkrankenhilfe von Patienten und Therapeuten gut angenommen. Es führte zu einer wirkungsvollen Behandlung von problematischem Cannabiskonsum.

Hoch, E. (2016). Behandlung cannabisbezogener Störungen. Habilitationsschrift. Eingereicht bei der Hohen Medizinischen Fakultät Mannheim der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.

Neumann, M., Bühringer, G., Höfler, M., Wittchen, H.U., Hoch, E. (2018). Is cannabis use treatment also indicated for patients with low to moderate polysubstance use? European Addiction Research, 24(2):79-87.

 

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